Im täglichen Leben benutzt du deine visuelle Wahrnehmung (Sehsinn) am häufigsten.
Mit deinen Augen nimmst du ständig Sinneseindrücke aus deiner Umwelt wahr und kannst, je nach Standpunkt oder innerer Einstellung, objektive Sachverhalte unterschiedlich betrachten und wahrnehmen. Dein Sehen wird durch deine Stimmungslage oder Launenhaftigkeit sowie Stress beeinflusst.
Du wählst aus der Vielzahl von Reizen nur solche aus, welche für dich bedeutend und wichtig sind.
Oft gehen dir durch schnelles hinsehen Details verloren. Ein besseres Verständnis über die Sachverhalte erlangst du, wenn du genau beobachtest. Es befähigt dich, deine Sinneseindrücke besser zu verstehen. (1)
Deine visuelle Wahrnehmung und ihre Funktionen:
Zur ersten Funktion zählen fokales Sehen, Form- und Farberkennung und die Musterunterscheidung. Die zweite Funktion deines Sehens liefert dir Informationen über deine Umgebung, welchen Untergrund der Raum hat und wie er strukturiert ist. Du erhältst auch Informationen über mögliche Hindernisse im Raum und ob sich Objekte bewegen. Du benötigst diese Informationen für deine Raumorientierung, deine Haltungskontrolle, deine Bewegungssteuerung und zur Reizquellenortung.
Mit deiner visuellen Wahrnehmung kannst du optische Reize aufnehmen, unterscheiden und verarbeiten, einordnen, interpretieren und angemessen darauf reagieren. (2)
Der Verlauf der Reizaufnahme durch Lichtstrahlen
Bevor die Lichtstrahlen auf deine Netzhaut (Retina) übertragen werden können, müssen sie zuerst deine Linse und anschließend die Glaskörperflüssigkeit, damit ist dein Augapfel gefüllt, durchdringen. Über deine lichtempfindlichen Rezeptorzellen oder Fotorezeptoren, die ihren Sitz auf deiner Netzhaut haben, nimmst du Helligkeits- und Farbeindrücke auf. Deine Sehnerven leiten alle Informationen, die du über deine Augen erhältst, zu deinem Gehirn weiter.
Deine Netzhaut besitzt zwei Arten von Rezeptorzellen, die Zapfen und Stäbchen:
Die Zapfen befähigen dich zum Tagessehen und du kannst unterschiedliche Farben erkennen. Mit den sensiblen Stäbchen besitzt du die Fähigkeit des Dämmerungssehens. Sie können nur schwarz, weiß und grau unterscheiden und werden aktiv, wenn die Zapfen nicht mehr auf das mangelnde Licht ansprechen. (3)
Je nach eindringender Lichtintensität reagiert deine Pupille mit verengender oder erweiternder Reaktion, um deine lichtempfindliche Netzhaut zu schützen. (4)
Dein visuelles System hat unterschiedliche Wahrnehmungsbereiche:
Figur-Grund-Wahrnehmung:
Die bevorzugten Reize, innerhalb deines Umfeldes, bilden die Figur, während bedeutungslose Reize den Hintergrund bilden. Deine zentrale Aufmerksamkeit ist auf die Figur gerichtet.
Visumotorische Koordination:
Die Befähigung, das Gesehene mit deinen Körperbewegungen zu steuern. Deine Auge-Hand-Koordination spielt bei einer Vielzahl deiner aktiven Bewegungen eine sehr wesentliche Rolle.
Wahrnehmungskonstanz:
Sie dient dir zur Erkennung des gleichen Objektes aus verschiedenen Distanzen oder Standpunkten.
Raumlage:
Die Beziehung eines Gegenstandes zu dir. Ist er davor, dahinter, darüber oder auf der Seite.
Räumliche Beziehung:
Zwei oder mehrere Gegenstände werden in Bezug zu sich selbst oder zueinander wahrgenommen.
Formwahrnehmung:
Die Fähigkeit Formen zu unterscheiden, zu sortieren und entsprechend zuzuordnen.
Farbwahrnehmung:
Mit dieser Fähigkeit kannst du Farben sehen und unterscheiden.
Visuelles Gedächtnis:
Es ist der Grundbaustein für deine kognitive Entwicklung. Damit kannst du Gesehenes in deine Erinnerung rufen; z. B. Symbole, Buchstaben oder Zahlen. Du kannst es richtig erkennen und zuordnen. (5)
Schau mal andersrum!
Wenn du deinen nächsten Sparziergang unternimmst, versuche deine Umgebung genauer zu betrachten und zu beobachten. Versuche neue Dinge zu entdecken, die dir bis heute verborgen waren! Schenke bei deinem Sparziergang ganz anderen Dingen Aufmerksamkeit!
* Was entdeckst du alles wenn du genauer hinschaust?
* Eröffnet sich eine neue Perspektive für dich?
* Kannst du ein inneres Bild erstellen?
Viel Spaß bei der Neuentdeckung deiner Umgebung!
Literatur:
(1) Zimmer, R.: Handbuch der Sinneswahrnehmung. Freiburg: Herder, 2011, S. 63ff
(2) Zimmer, R.: Handbuch der Sinneswahrnehmung. Freiburg: Herder, 2011, S. 68f
(3) Zimmer, R.: Handbuch der Sinneswahrnehmung. Freiburg: Herder, 2011, S. 66f
(4) Zimmer, R.: Handbuch der Sinneswahrnehmung. Freiburg: Herder, 2011, S. 66
(5) Zimmer, R.: Handbuch der Sinneswahrnehmung. Freiburg: Herder, 2011, S. 69fff